Steuerliche Benachteiligungen von Vätern
Bei der immer häufigeren, alternierenden Obhut führt das heutige Steuerrecht zu nicht mehr tolerierbaren Benachteiligungen der Väter. Das Steuerrecht verstärkt in der Praxis in drei Punkten die Ungleichbehandlung von Vätern und Müttern nach Trennungen und Scheidungen in krasser Weise: Indem erstens das Einkommen der zu Unterhaltszahlungen verpflichteten Väter nach dem Tarif für Alleinstehende versteuert wird, während die unterhaltsberechtigten Mütter in den Genuss des deutlich günstigeren Familientarifs kommen und letztere zweitens zusätzlich den Kinderabzug sowie weitere Steuervorteile geltend machen können. Ebenso stossend ist schliesslich drittens, dass Unterhaltszahlungen an Volljährige (Volljährigenunterhalt) steuerlich nicht mehr abzugsberechtigt sind. Väter müssen also, obwohl sie nicht mehr über dieses Geld verfügen, die Unterhaltsbeiträge an volljährige Kinder versteuern, und zwar nicht selten in einer hohen Progression.
Insbesondere bei gemeinsam wahrgenommener Kinderbetreuung wird das Steuerrecht dem heutigen Bedürfnis nach egalitärer Behandlung beider Elternteile nicht gerecht, indem es nur in Ausnahmefällen Steuerabzüge im Verhältnis der Betreuungsanteile erlaubt. Zudem lässt das ZGB den Wohnsitz nur entweder bei der Mutter oder beim Vater zu (meistens bei der Mutter), womit der Vater als Alleinstehender überhaupt keine eigenen Kinderkosten steuerlich geltend machen kann, sogar wenn er bei alternierender Obhut faktisch gar nicht alleinstehend ist.
Das Familienrecht scheint sich seit der Einführung des gemeinsamen Sorgerechts im Jahr 2014 und der Möglichkeit, die alternierende Obhut seit dem Jahr 2017 gerichtlich beantragen zu können, zunehmend in Richtung Gleichstellung zu bewegen. Dieses Betreuungsmodell erfreut sich nicht von ungefähr zunehmender Beliebtheit, da es eine Gleichwertigkeit beider Elternteile betont. Doch wie im Beruflichen gesetzliche Rahmenbedingungen gefordert werden, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der Möglichkeit von Home-Office oder Teilzeitarbeit zu fördern und Faktoren zu eliminieren, die einer Chancengleichheit im Wege stehen, sollte dies auch für den familiären Bereich gelten. Das Steuerrecht bietet bislang getrennten Paaren kaum solche Möglichkeiten, womit es die Spaltung von Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten verstärkt. In der Schweiz sind Einkommens- und Vermögenssteuergesetze auf dem Grundsatz der Familienbesteuerung aufgebaut, wobei bisher in eingetragener Partnerschaft lebende, gleichgeschlechtliche Paare wie Ehepaare besteuert werden.
Ab dem 1.7.2022 können in der Schweiz keine neuen, eingetragenen Partnerschaften mehr eingegangen werden, nur noch die Ehe für alle. Der Einfachheit halber gelten nachfolgend die Aussagen für verheiratete Paare auch für bisher in eingetragener Partnerschaft lebende Paare. Einkommen und Vermögen dieser (Ehe)-Paare werden zusammengerechnet und allfällige Waisenrenten, Alimente, Vermögens- oder Lotteriegewinne ihrer minderjährigen Kinder hinzugezählt, um das steuerbare Gesamteinkommen bzw. -vermögen zu ermitteln. Hingegen wird das Erwerbseinkommen Minderjähriger separat versteuert.
Während beispielsweise in Deutschland zusammenlebende Ehepaare auf jeden Fall weniger Steuern als unverheiratete Paare zahlen, führt in der Schweiz die gemeinsame Besteuerung von Zweiverdiener-Ehepaaren wegen der Steuerprogression bei der Bundessteuer nach wie vor zu einer höheren Steuerlast gegenüber unverheirateten Steuerpflichtigen, die als Heiratsstrafe kritisiert wird.
Seit dem richtungsweisenden Bundesgerichtsentscheid (BGE) 110 Ia 7 vom 13. 4. 1984 («Entscheid Hegetschweiler»), wonach Ehepaare im Verhältnis zu alleinstehenden Personen entlastet werden müssen und sie im Verhältnis zu Konkubinatspaaren nicht stärker belastet werden dürfen, mussten die Kantone ihre Steuergesetze entsprechend anpassen und ein System der verschiedenen Tarife für Verheiratete und Alleinstehende einführen. Der Bund hat die Benachteiligung von Ehepaaren im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) immer noch nicht beseitigt, da das Bundesgericht vom Parlament beschlossene Bundesgesetze wie die direkte Bundessteuer (dBSt) nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit prüfen kann (Massgeblichkeitsgebot; Art. 190 BV).
Der Grundsatz, dass das Steuerrecht die steuerpflichtige Person in der Wahl des für sie geeigneten Familien- oder Lebensmodells nicht beeinflussen, sondern sich möglichst neutral auf die verschiedenen Lebenskonstellationen auswirken sollte, gilt somit noch nicht für die dBSt. Nach einer Schätzung vom Juni 2018 resultiert daraus für rund 450'000 Zweiverdienerehepaare und für rund 250'000 Rentnerehepaare nach wie vor eine verfassungswidrige Mehrbelastung (über 10 % bei Ehepaaren ohne Kinder). Wie unerwünscht oder undenkbar in der Schweiz ausgewogene Einkommensverhältnisse zwischen den Ehegatten sind, zeigt sich im Steuerrecht exemplarisch daran, dass die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren ohne Kinder gegenüber einem Konkubinatspaar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen umso grösser ist, je gleichmässiger die Einkommensaufteilung ist und mit zunehmendem Einkommen zunimmt. Erst bei sehr hohen Einkommen mit dem maximalen Steuersatz von 11.5 % spielt es keinen Unterschied mehr, ob Paare verheiratet sind oder nicht. Für den Mittelstand bedeutet dies aber zurzeit, dass mit der Heirat einer der Partner aus steuerlichen Überlegungen entmutigt wird, gleichviel zu verdienen wie der andere Partner.
Beim Belastungsvergleich zwischen Ehepaaren mit Kindern und Konkubinatspaaren kommt hinzu, dass verfassungsrechtliche Fragen nicht abschliessend geklärt sind. Die Sonderregelung, dass bei der direkten Bundessteuer verwitwete, getrennt-lebende, geschiedene und ledige steuerpflichtige Personen, die mit Kindern oder unterstützungsbedürftigen Personen im gleichen Haushalt zusammenleben und deren Unterhalt zur Hauptsache bestreiten, die gleiche tarifliche Ermässigung wie Ehepaare mit Kindern erhalten, gilt nicht nur für Alleinerziehende, sondern auch für im Konkubinat lebende Personen mit Kindern, obwohl ihre Einkommen nicht wie bei einem Ehepaar addiert werden. Dies führt zu einer verfassungswidrigen Privilegierung von unverheirateten Paaren mit Kindern. Diese Regelung wird daher vom Bundesgericht als Verstoss gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gewertet.
Die Familie im heutigen Steuerrecht
Die Steuerinformationen zu den Steuerproblemen in der Familienbesteuerung definieren den Begriff der Familie gemäss Bundesverfassung Art. 41 Abs. 1c als «Gemeinschaft von Erwachsenen und Kindern» und unterscheiden fünf verschiedene Haushaltsgemeinschaften. Der häufigste Haushaltstyp war gemäss BFS im Jahr 2018 allerdings der Einpersonenhaushalt, der über einen Drittel aller Privathaushalte in der Schweiz ausmacht, gefolgt von über einem Viertel Paar-Haushalten ohne Kinder, sodass 63 % der Haushalte kinderlos waren. Dennoch lebt etwas mehr als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung in den 29.6 % Familienhaushalten mit Kindern (25.0 % mit Paaren oder 4.6 % mit einem Elternteil).
Wenn das heutige Steuerrecht Ehepaare bei gleichmässiger Einkommensverteilung mit der grösstmöglichen steuerlichen Ungleichbehandlung gegenüber unverheirateten Paaren «bestraft», vermag es nicht zu erstaunen, dass die Mütter nach Heirat und Kinderkriegen beim Grossteil der Ehen darauf Rücksicht nehmend ihre Erwerbstätigkeit reduzieren. Damit schaffen sie sich im Hinblick auf eine Trennung und Scheidung die Grundlage, um sich in 89% der Fälle mit der Obhutzuteilung auch den Wohnsitz der Kinder zu sichern sowie die Besteuerung nach dem Familientarif mit dem Kinderabzug und den weiteren möglichen Abzügen. Eine ausgewogene Kinderbetreuung bei gemeinsamem Sorgerecht und alternierender Obhut hat im heutigen Steuerrecht lediglich dann eine Chance auf gleiche Besteuerung der getrennten Elternteile, wenn beide Elternteile je mindestens 1 Kind an ihrem Wohnsitz gemeldet haben und keine Unterhaltszahlungen geleistet werden. Von den 230'000 Einelternfamilien mit Kindern dürften ca. 89% Mütter sein, womit es also rund 200'000 Väter ohne Kinder an ihrem Wohnsitz geben dürfte. So sehr sich solche Väter in der Kinderbetreuung und -erziehung auch mitbeteiligen – vielleicht gar zu 50 % – werden sie im heutigen Steuerrecht überhaupt nicht mit ihren Kindern in Zusammenhang gebracht. Umso weniger, wenn die Mutter auch nur schon CHF 100 Unterhaltsbeiträge pro Monat erhält.
Nach Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG (Gesetz über die direkte Bundessteuer) sind Unterhaltsbeiträge an den geschiedenen, gerichtlich oder tatsächlich getrennt-lebenden Ehegatten, sowie die Unterhaltsbeiträge an einen Elternteil für die unter dessen elterlicher Sorge stehenden Kinder, nicht jedoch Leistungen in Erfüllung anderer familienrechtlicher Unterhalts- oder Unterstutzungspflichten abzugsfähig. Die vom Vater getragenen, zusätzlichen Kinderkosten wie z.B. für die Skiferien können beim Unterhaltszahler nicht steuerlich berücksichtigt werden sondern ausschliesslich solche Zahlungen, die der Mutter überwiesen wurden. Damit muss sich ein Vater, der die Kinder wie die Mutter in alternierender Obhut betreut, mit der Ungleichbehandlung abfinden, dass seine während der Obhut bei ihm als Unterhaltspflichtigen anfallenden Aufwendungen für die Kinder steuerlich in keiner Weise berücksichtigt werden, während die Mutter nach dem Familientarif besteuert wird und alle Abzüge der nur teilweise betreuten Kinder geltend machen kann. Damit zeigt der Steuerbelastungsvergleich von getrennten Eltern mit Kindern, die in alternierender Obhut bei beiden Eltern wohnen, eine verfassungswidrige Privilegierung des Elternteils, bei welchem der Wohnsitz der Kinder gemeldet ist, gegenüber dem Elternteil, bei welchem diese eben keinen Wohnsitz haben: das verstösst gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. So wird auch die verfassungswidrige Privilegierung von unverheirateten Paaren mit Kindern, die von derselben Sonderregelung einer tariflichen Ermässigung wie verheiratete Paare profitieren, obwohl ihre Einkommen nicht wie bei Ehepaaren addiert werden, vom Bundesgericht als Verstoss gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gewertet.
Fazit
Von einer echten Gleichstellung, die ihrem Namen gerecht wird, sind wir im Fall von getrennt-lebenden Vätern und Müttern noch weit entfernt. Wenn Frauen und Männer bzw. Mütter und Väter gleiche Chancen auf berufliche Selbstverwirklichung wollen und auch gleichermassen die Betreuungs- und Erziehungsaufgaben ihrer Kinder wahrnehmen, erlaubt die Gleichwertigkeit beider Elternteile im Falle von Trennungen und Scheidungen nur vorübergehend (wie z.B. während der Stillzeit), Unterhaltszahlungen durch den Ex-Partner. Es gibt im Bereich der Besteuerung noch einiges zu tun, um eine Gleichstellung von Mutter und Vater zu erreichen…