Lastverteilung
Aufgabenstellung
Was ändert sich eigentlich im Bereich der Pflichten und Lasten, wenn Kinder aus – respektive in – einer Partnerschaft entstehen? In diversen Teilbereichen entstehen dann diverse Auswirkungen aufgrund von dieser Veränderung auf das Leben der beiden Partner. In der folgenden Tabelle Abbildung 1 wird dies dargestellt.

Gehen wir nun also darauf ein, auf welche Arten man diese Aufgabenstellung anpacken kann. Wir werden dabei erkennen, dass sich aufgrund der verschiedenen Lösungswege nicht nur Unterschiede für die beiden Partner ergeben, sondern auch für die Kinder.
Der Fokus dieses Artikels liegt dabei auf den Aspekten Finanzen / Zeit und Risiken. Aufgrund dieser Fokussierung wird der Aspekt der Beziehungsebene hier kaum untersucht. (Er wäre aber zweifellos auch eine genaue Betrachtung wert!)
Ernährermodell
Das traditionelle Ernährermodell läuft darauf hinaus, dass ein Partner (im Normalfall der Vater) das Geld verdient und der andere Partner (im Normalfall die Mutter) die Kinder betreut und den Haushalt erledigt. Die Gründe für diese Aufgabenteilung sind historischer Natur. Sie stammen aus einer Zeit, wo die Menschen noch als Nomaden lebten oder wo sie erst gerade sesshaft geworden waren. In dieser Zeit war das traditionelle Ernährermodell aufgrund der damaligen Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen eine taugliche Lösung.
Gehen wir als Erstes auf den Aspekt Geld / Finanzen ein. Vor Geburt des ersten Kindes ist der weibliche Partner üblicherweise berufstätig. Nach der ersten Geburt fällt im Ernährermodell somit das Einkommen der Mutter vom Paar-Total weg, und der Geldbedarf des Kindes kommt sogar noch zum Total-Bedarf des Paares hinzu. Machen wir mal eine Beispiel-Berechnung, um ein Gefühl für die Kosten des Ernährermodells zu bekommen, respektive ihre Grössenordnung. Gehen wir einfach mal davon aus, dass eine Frau im Alter von ca. 30 Jahren im Abstand von wenigen Jahren z.B. zwei Kinder bekommt.
Das BfS (Bundesamt für Statistik) hat betreffend Löhnen diverse Informationen herausgegeben. In Ab-
bildung 2 folgt die Grafik fürs Jahr 2022.

Man erkennt leicht, dass der durchschnittliche Monatslohn unserer Beispiel-Mutter im Alter von 30 Jahren ca. CHF 6'500 beträgt. Das macht also ca. CHF 78'000 pro Jahr. Wenn wir davon ausgehen, dass un-
sere Beispiels-Mutter aufgrund der zwei Kinder 15 Jahre lang ihre Erwerbstätigkeit aussetzt, ergibt das somit Kosten von ca. 15 x CHF 78'000 = CHF 1'170'000. Wenn sie danach den beruflichen Wiedereinstieg wagt, ist üblicherweise mit einem relativ grossen Lohnverlust zu rechnen. Unsere Beispiels-Mutter kann dann froh sein,
wenn sie nach ihrem Wiedereinstieg überhaupt noch auf ihren ursprünglichen Lohn von damals kommt. Wahrscheinlicher ist dann ein Betrag von nur noch CHF 6'000 pro Monat, d.h. also CHF 72'000 pro Jahr. Man erkennt das in der oben stehenden Grafik gut, da der Median bei den Frauen nach dem 30. Lebensjahr nur
noch wenig zunimmt, obwohl er auch die kinderlosen Frauen beinhaltet. Wenn man also bei den kinderlosen Frauen dieselben Lohnzuwächse wie bei den Männern annimmt, muss der Gesamt-Median der Frauen deshalb stagnieren, weil die Frauen mit Kindern nach ihrem Wiedereinstieg ins Berufsleben eine Lohneinbusse in Kauf nehmen müssen. Sonst gäbe es keinen Grund, dass nicht auch alle Frauen von 40 bis 49 Jahren einen Monatslohn von ca. CHF 7'500 hätten und diejenigen ab 50 Jahren einen solchen von ca. CHF 8'000, wie dies bei den Männern ja auch der Fall ist. Wir können also betreffend Grössenordnung der Lohneinbusse von Frauen mit Kindern nach einem beruflichen Wiedereinstieg nach 15 Jahren folgende Annahmen treffen:
- In der Altersgruppe von 40 bis 49 Jahren beträgt die Lohneinbusse monatlich ca. CHF 1'500
- In der Altersgruppe ab 50 Jahren beträgt die Lohneinbusse monatlich ca. CHF 2'000
Im Fall unserer Beispiel-Mutter, die wegen ihrer zwei Kinder ab dem Alter von ca. 30 Jahren für 15 Jahre
ihre Erwerbstätigkeit (d.h. bis und mit Alter 44) unterbrach, bedeutet das also Folgendes:
- Im Zeitraum von Alter 45 bis 49 (also fünf Jahre) verlor sie 5 x 12 x CHF 1'500 = CHF 90'000
- Im Zeitraum ab dem Alter 50 bis zur Pensionierung mit 65 (also 16 Jahre) verlor sie 16 x 12 x CHF 2'000 = CHF 384'000
Da es ja nur unser Ziel ist, eine Grössenordnung der Kosten des Ernährermodells zu finden, vernachlässigen wir an dieser Stelle der Einfachheit halber die folgenden
weiteren, sicher nochmals sechsstelligen Kosten:
- Verluste der Mutter in der Altersvorsorge
- direkte Kinderkosten
Wir kommen so in unserem repräsentativen Beispielfall auf die folgenden Kosten des Ernährermodells:
- Erwerbspause von 15 Jahren
CHF 1'170'000
- Verlust zwischen Alter 45 bis 49
CHF 90'000
- Verlust zwischen Alter 50 bis 65
CHF 384'000
- TOTAL CHF 1'644'000
Die Betreuungszeit der Mutter betrug 15 Jahre mal 12 Monate, d.h. also total 180 Monate. Man kann somit sagen, dass die monatlichen Kosten der «Elternzeit» im Ernährermodell in der Grössenordnung von ca. CHF 1'644'000 geteilt durch 180 = CHF 9'133 liegen; sagen wir also –im Sinne einer Grössenordnung – bei
ca. CHF 9'000 monatlich (!). Dies ist ausserordentlich ineffizient und teuer.
Diese Kosten werden vom Elternpaar im Zeitraum ab der Geburt des ersten Kindes bis zum Ende der Erwerbstätigkeit laufend abgestottert. Nach dem Ende der Erwerbstätigkeit bis zum Tod fällt zudem eine dauerhafte Einbusse bei der Altersvorsorge an, die wir hier aus Gründen der Vereinfachung nicht dargestellt haben.
Belastet wird nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater, da er ja im selben Boot sitzt wie diese und weniger Geld zur Verfügung hat, da er mehr abgeben muss. Die Last wird also eindeutig nicht von der Mutter alleine getragen, sondern von beiden Partnern des Paares zusammen.
Eine weitere Überlegung: Wären die Rollen im Ernährermodell umgekehrt verteilt, weil z.B. die Mutter einen gut bezahlten Job hat (z.B. Ärztin, Anwältin usw.) und deshalb der Vater Kinderbetreuung und Haushalt übernimmt, würde dies nichts ändern. Es wären einfach die Rollen vertauscht, aber sonst bliebe das Gesamtbild dasselbe. Das Paar würde genau gleich belastet.
Gehen wir nun auf den zweiten Aspekt des Ernährermodells ein. Wie verhält es sich denn bezüglich Risiken? Diesbezüglich steht der Ausfall eines Elternteils im Vordergrund. Die Auswirkungen des Risikos des Ausfalls beider Elternteile ist nicht Modell-spezifisch. Fällt aber «nur» einer der beiden Elternteile aus, so sind die Konsequenzen je nach Modell anders. Was können Gründe für den Ausfall eines Elternteils sein? Die folgenden sind die häufigsten:
- Krankheit
- Invalidität
- Tod
- Trennung/Scheidung (in fast der Hälfte aller Fälle!)
Beim Ernährermodell kommt es darauf an, welcher Elternteil ausfällt. Fällt die Ernährerperson (meistens der Vater) aus, so hat dies gravierende finanzielle Konsequenzen für die Erzieherperson (meistens die
Mutter), weil diese in einer erheblichen ökonomischen Abhängigkeit von der Ernährerperson lebt. Das Ernährermodell funktioniert dann für die Erzieherperson schlicht und einfach nicht mehr, mindestens nicht ohne weitere Massnahmen. Auch die
Kinder sind vom Ausfall der Ernährerperson stark betroffen, einerseits auf der Beziehungsebene und andererseits aufgrund der Notwendigkeit von Polarität von Bezugspersonen für die kindliche Entwicklung.
Fällt die Erzieherperson aus, so wirkt es sich bei den Kindern gravierend aus, dass diese auf der Beziehungsebene von grosser Wichtigkeit gewesen ist und demzufolge "ersetzt" werden muss. Auch bei der
Ernährerperson wirkt sich der Ausfall der Erzieherperson unter Umständen gravierend aus, indem sie beruflich nicht mehr gleich hindernisfrei schalten und walten kann wie vorher, aufgrund von Sachzwängen
mit den Kindern.
Ein zweites Risiko besteht darin, dass ein Elternteil vielleicht eine verminderte Erziehungsfähigkeit aufweist. Falls dies ausgerechnet die Erzieherperson ist, wirkt sich dies auf die Qualität der Kindererziehung und -betreuung aus. Die Ernährerperson kann in einem solchen Fall aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen nur beschränkt aushelfen. Es ist zu bemerken, dass
Erziehungsfähigkeit generell nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Mit andern Worten gibt es gleich viele Mütter und gleich viele Väter mit verminderter oder sogar fehlender Erziehungsfähigkeit. Das Problem beim Ernährermodell besteht aber darin, dass die Erzieherperson fast immer die Mutter ist, sogar auch in
den vielen Fällen, wo der Vater eine grössere Erziehungsfähigkeit hätte.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass das Ernährermodell betreffend dem Aspekt der Risiken
kaum eine Resilienz aufweist und diesbezüglich sehr schlechte Noten verdient. Zudem scheitert es in fast
der Hälfte aller Fälle aufgrund von Trennung/Scheidung.
Paritätische Kinderbetreuung mit Doppelverdienern
Durch die Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert ist die Möglichkeit entstanden, dass Eltern Doppelverdiener sein können. Es ist klar, dass diese veränderte Rahmenbedingung auch Alternativen zum Ernährermodell ermöglicht. Insbesondere ist es nun möglich, dass:
- beide Elternteile erwerbstätig bleiben
- und beide Elternteile Kinderbetreuung ausüben
- und beide Elternteile den Haushalt erledigen.
Mit andern Worten: Beide machen von allem etwas. Im Idealfall erledigen beide gleich viele Pflichten. Wenn Gründe gegen eine gleichmässige Aufteilung der Pflichten vorhanden sind, verteilen sie diese ungleichmässig, z.B. im Verhältnis 60:40, 70:30 usw.
Machen wir doch hier wieder dasselbe Beispiel wie vorhin beim Ernährermodell: Die Frau bekommt also auch wieder im Alter von ca. 30 Jahren zwei Kinder innert weniger Jahre.
Wenn Vater und Mutter hinsichtlich Lohnpotenzial, Erziehungsfähigkeit usw. Durchschnittspersonen
sind, könnte eine Lösung beim Modell der paritätischen Kinderbetreuung durch Doppelverdiener vielleicht
folgendermassen aussehen:
- Beide reduzieren ihre Erwerbstätigkeit anfänglich auf 60 % (= drei Tage pro Woche). Bei Vorhandensein einer Still-Periode der Mutter kann der Vater die Reduktion seines Erwerbsgrads auf deren Ende verschieben. (Während des Stillens würde also faktisch ein paar Monate lang das Ernährermodell betrieben.)
- Beide machen gleich viel Kinderbetreuung, z.B. die vier restlichen Tage pro Woche.
- Beide erledigen gleich viele Haushaltspflichten.
Aufgrund der tendenziell tieferen Stundenlöhne bei Teilzeitarbeit würden die Eltern in diesem Modell bei
einem Erwerbsgrad von je 60 % nur etwa gleich viel Geld zur Verfügung haben, wie beim Ernährermodell, wo nur eine Person arbeitet, diese dafür aber Vollzeit. Dieser Sachverhalt würde die Eltern motivieren, zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. wenn das jüngste Kind in die Schule kommt, ihre Erwerbsgrade aufzustocken, vielleicht vorerst mal auf je 70 % oder ähnlich.
Wie so üblich, wenn alles so einfach und leicht erscheint, sollte man als Leser misstrauisch werden und
sich fragen: Wo ist da der Haken? Welche Klippen und Fallen gibt es bei diesem Betreuungsmodell? Denn natürlich ist nichts gratis zu haben. Es müssen Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die berufliche Situation beider Elternteile muss entsprechende Teilzeitarbeit ermöglichen.
- Das Einkommen mit dieser Teilzeitarbeit muss ausreichen.
- Die Arbeitszeiten beider Elternteile müssen zeitlich alternieren. Es nützt z.B. nichts, wenn zwar beide 60 % Teilzeit arbeiten können, aber beide nur von Montag bis Mittwoch.
- Während Zeiten, wo beide Elternteile dem Gelderwerb nachgehen, muss eine Drittbetreuung zur Verfügung stehen.
- Das Modell der paritätischen Kinderbetreuung durch Doppelverdiener muss den persönlichen Neigungen des Elternpaars überhaupt entsprechen.
- Beide Eltern sollten erziehungsfähig sein.
Schauen wir als Erstes die Kostensituation an. Hier stellt sich zuerst die Frage nach der Drittbetreuung.
Im Idealfall, wo mindestens einer der Elternteile samstags und/oder sonntags arbeiten kann, ist die paritätische Kinderbetreuung bereits bei einem Erwerbsgrad von je 60 % gewährleistet. Beispielsweise kann der Vater von Montag bis Mittwoch arbeiten und die Mutter von Donnerstag bis Samstag, und natürlich sind unzählige weitere Kombinationen möglich. Ist keine Wochenendarbeit möglich, aber ein Erwerbsgrad von je 50 % reicht auch aus, so entsteht immer noch kein Bedarf nach Drittbetreuung.
Betrachten wir aber mal den mutmasslichen Normalfall, wo beide Eltern während der Phase von der Geburt des ersten Kindes bis zur Einchulung des letzten Kindes (also ca. acht oder neun Jahre lang) von Montag bis Freitag mit einem Erwerbsgrad von mindestens je 60 % arbeiten müssen, um finanziell einigermassen über die Runden zu kommen, bevor sie ihren Erwerbsgrad wieder
leicht aufstocken können. Sagen wir, der Vater arbeitet in dieser Phase von Montag bis Mittwoch, und die Mutter von Mittwoch bis Freitag. In diesem Fall wird somit jeden Mittwoch Drittbetreuung für das Kind / die
Kinder notwendig, weil beide Eltern an der Arbeit sind.
Die Tabelle Abbildung 3 zeigt dafür einige mögliche Lösungen auf, die sich notabene nicht gegenseitig
ausschliessen, sondern sich auch ergänzen können.

Zu bemerken ist der hohe Nutzen einer Elternzeit, sofern diese in Form von Einzeltagen bezogen werden kann. Falls eine Elternzeit in der Schweiz z.B. eines Tages zweimal 18 Wochen à 5 Tage (also total 180 Arbeitstage) betragen würde, so würden unsere beiden Beispiel-Eltern einige Jahre davon zehren können.
Pro Jahr wird unter der Annahme von vier Wochen Ferien jährlich 48 Wochen gearbeitet. Vier Arbeitsjahre beinhalten also 192 Mittwoche. Unsere beiden Beispiel-Eltern könnten also bereits mit einer solchen Elternzeit fast die ersten vier Jahre nach Geburt ihres ersten Kindes ohne Zuhilfenahme von Drittbetreuung bestreiten (!).
Wenn in Zukunft die paritätische Kinderbetreuung durch Doppelverdiener weiter verbreitet wäre, könnten auch Elternpaare mit demselben Problem, aber «an einem andern Tag», einander finden (z.B. über entsprechende neue Internetplattformen). Wenn ein anderes Eltern-
paar beispielsweise den Dienstag als «Problemtag» hätte, könnte unser Beispiel-Paar dessen Kind(er) am
Dienstag auch noch betreuen, während die Kinder unseres Beispiel-Paars jeden Mittwoch vom andern
Elternpaar betreut würden. (Natür lich müssten beide Elternpaare und das Alter ihrer Kinder füreinander
geeignet sein.)
Wir können also zusammenfassen, dass die paritätische Kinderbetreuung durch Doppelverdiener mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer ziemlich kostengünstigen Lösung führen würde.
Bei der Einführung einer Elternzeit würden deren Kosten zwar vom Steuerzahler getragen, aber sie wären bedeutend geringer als bei der Kinderbetreuung im Ernährermodell.
Es gäbe mit der paritätischen Kinderbetreuung keine Erwerbslücke (für Frauen) mehr – höchstens ein bisschen weniger «Karriere» (für Männer); mit Sicherheit aber mehr Lebensqualität (für alle, inklusive den Kindern)…!
Schauen wir als Zweites nun wie der den Aspekt der Risiken an, wie wir dies bereits beim Ernährermodell getan haben. Wie sieht das bei der paritätischen Kinderbetreuung durch Doppelverdiener aus? – Wesentlich besser! Wir haben nun ZWEI handlungsfähige Eltern, sowohl im Bereich des Berufs als auch im Bereich der Kinderbetreuung.
Der Ausfall eines Elternteils ist zwar immer noch schlimm, der verbliebene andere Elternteil hat nun
aber wesentlich bessere Chancen als im Ernährermodell. Einerseits hat er bessere Chancen bei der Kinderbetreuung, weil er mehr «Übung » hat, und andererseits hat er im Beruf bessere Chancen, wenn die Kinderbetreuung mal vorbei ist.
Was ändert sich bei Trennung/Scheidung? Die zuvor bereits alternierende Obhut muss danach neuerdings in zwei Wohnsitzen abgewickelt werden. Aufgrund der höheren Wohnkosten wird das Geld (noch) knapper. Jede Trennung/Scheidung hat halt ihren Preis. Aus Sicht der
Kinder ändert sich allerdings relativ wenig: Sie werden nach wie vor alternierend von Papi und Mami betreut,
neuerdings halt einfach an zwei verschiedenen Orten.
Und wie sieht es mit dem Risiko einer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit bei einem Elternteil aus? Das hängt davon ab, welcher Elternteil von der Einschränkung betroffen ist. Ist es derjenige, der im Ernährermodell die Erzieher-Person gewesen wäre (also im Normalfall die Mutter), so ist deren negativer «Impact» auf die Kinder bei der paritätischen Kinderbetreuung kleiner. Im andern Falle einer Einschränkung der Ernährer-Person (= im Normalfall des Vaters), wäre hingegen logischerweise der negative «Impact» beim Ernährermodell kleiner.
Politische Forderungen
Aus alledem ist klar ableitbar, dass die paritätische Kinderbetreuung durch Doppelverdiener ein realistisches und taugliches Modell im Dienste des Kindswohls und im Interesse der Eltern darstellt. Welche
staatlichen Rahmenbedingungen würden denn nun einen positiven Einfluss darauf ausüben? Folgendes
sind unsere Vorschläge.
Eine Elternzeit, die in Form von Einzeltagen bezogen werden kann, wäre für dieses Betreuungsmodell
sehr förderlich (aber nicht zwingend erforderlich). Gleichzeitig wäre es auch für Firmen vorteilhaft, wenn
Mitarbeiter(innen) jeweils nur einzelne Tage fehlen, anstelle eines grossen Zeitraumes, in dem sie durch
Stellvertretungen ersetzt werden müssten. Zusätzlich hat die Elternzeit positive Auswirkungen beim Investitionsschutz des Steuerzahlers in die Ausbildung von Frauen sowie beim Fachkräftemangel durch eine
verbesserte Nutzung des Potenzials weiblicher Arbeitskräfte.
Rahmenbedingungen, die heute Doppelverdiener benachteiligen, müssen beseitigt werden. Das sind
konkret:
-
Die gemeinsame Besteuerung von Doppelverdiener-Ehepaaren, die zu einer ungerechtfertigt hohen Steuerprogression führt. Dies wäre lösbar durch eine Individualbesteuerung für alle oder durch eine Wahlmöglichkeit für Ehepaare, ob sie individuell oder gemeinsam besteuert werden wollen.
-
Die AHV-Renten von Doppelverdiener-Ehepaaren dürfen nicht mehr auf 150 % der maximalen Einzelrente gekappt werden. Dies wäre lösbar durch Einzelrenten für Doppelverdiener-Ehepaare (gemäss ihren individuellen Beitragsjahren und AHV-Einzahlungen).
Rahmenbedingungen, die heute Teilzeitarbeit benachteiligen, müssen beseitigt werden. Das sind konkret:
-
Pensionskassenpflicht (2. Säule der Altersvorsorge) ab demselben Betrag wie bei der AHV (heute: CHF 2'300 pro Jahr) und Abschaffung des koordinierten Lohns
-
Einführung einer Einzelfirma mit denselben Sozialversicherungen für Altersvorsorge, Invalidität
und Todesfall, wie sie eine GmbH hat, sozusagen einer «Ein-Personen-GmbH ohne Stammkapital», um selbstständige Teilzeitarbeit zu fördern
Rahmenbedingungen, die heute im Steuerrecht die alternierende Obhut benachteiligen, müssen beseitigt
werden. Das sind konkret:
- Zwei Eltern mit alternierender Obhut müssen immer beide denselben Steuertarif haben.
- Zwei Eltern mit alternierender Obhut müssen immer beide den Kinderabzug und allfällige weitere Abzüge bei den Steuern geltend machen dürfen.
Fazit
Zwei Modelle der Kinderbetreuung wurden verglichen: Das Ernährermodell und die paritätische Kinderbetreuung durch Doppelverdiener.
Betreffend dem Aspekt der Finanzen und dem Zeitbedarf kann man folgende Aussagen machen:
- Es ist so oder so eine grosse Herausforderung, Kinder zu haben.
- Das Ernährermodell hat ökonomisch gesehen eine verheerende Kosten-/Nutzen-Bilanz und exorbitante Kosten. Es ist heutzutage kaum mehr bezahlbar und sicher ein Grund für den Geburtenrückgang in der Schweiz.
- Die paritätische Kinderbetreuung nutzt die finanziellen und zeitlichen Ressourcen des Elternpaars wesentlich effizienter aus als das Ernährermodell.
Betreffend dem Aspekt der Risiken und der Resilienz gilt:
- Das Ernährermodell schneidet aufgrund der praktizierten Arbeitsteilung sehr schlecht ab, da sein Funktionieren die Zusammenarbeit beider Eltern zwingend erfordert. Fast die Hälfte aller Elternpaare erleben aber leider eine Trennung/Scheidung. Dies hat gravierende Konsequenzen für alle Beteiligten: Den Vater, die Mutter und die Kinder.
- Die paritätische Kinderbetreuung durch Doppelverdiener ist wesentlich resilienter, da beide Eltern «Allrounders» sind.
Weil das Ernährermodell zu teuer ist und in fast der Hälfte aller Fälle scheitert (mindestens unter anderem aus diesen Gründen), haben wir in der Schweiz einen Geburtenrückgang.
Die paritätische Kinderbetreuung durch Doppelverdiener ist eine Chance, den Geburtenrückgang
aufzuhalten. Viele Probleme der Schweiz können durch Zuwanderung gelöst werden; ihre Identität geht dabei aber verloren. Es ist deshalb auch eine politische Aufgabe, in der Schweiz gute Rahmenbedingungen
für Familien mit Kindern zu schaffen. Dies kann durch eine vermehrte Förderung der paritätischen Kinderbetreuung erreicht werden.